Hänel reicht Beschwerde beim BVerfG ein
Gießen. Die Gießener Ärztin Kristina Hänel hat gegen ihre rechtskräftige Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Werbeverbot für Abtreibungen (§ 219a StGB) Verfassungsbeschwerde eingereicht. Das teilte Hänel am 19. Februar auf Twitter mit. Mitte Januar hatte das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) verkündet, die Revision verworfen zu haben, die Hänel gegen ein Urteil des Landgerichts Gießen angestrengt hatte. Das hatte die 64-Jährige im Dezember 2019 wegen Verstoßes gegen den § 219a StGB zu einer Geldstrafe von 2500 Euro verurteilt. Wie das OLG in seinen Beschluss (Az.: 1 Ss 96/20) klarstellt, habe Hänel auf ihrer Homepage „über eine eigene Schaltfläche offeriert, in ihrer Praxis Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen und die hierfür verwendeten Methoden sowie den konkreten Ablauf erläutert.“ Dies erfülle „objektiv die Voraussetzungen des Anbietens von Diensten zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen“.
Wie Hänel ferner wissen ließ, sei ihre Beschwerde von dem Berliner Rechtsanwalt und Strafverteidiger Ali B. Norouzi und dem Hamburger Strafrechtsprofessor Reinhard Merkel verfasst worden. Norouzi wurde als Sohn persischer Eltern 1976 in Darmstadt geboren. Er studierte Jura in Saarbrücken, Québec und Tübingen und hat sich auf die Verteidigung von Mandanten vor dem Bundesverfassungsgericht, dem Bundesgerichtshof und den Oberlandesgerichten spezialisiert. Vier Mal wurde er vom Magazin „Focus“ in der Liste „Deutschlands Top-Anwälte“ geführt.
Merkel, geboren 1950 in Hof, studierte Jura in Bochum, Heidelberg und München. Der frühere Redakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“ lehrte Strafrecht in Bielefeld und Rostock, bevor er 1999 einen Ruf der Universität Hamburg annahm, wo er außer Strafrecht auch Rechtsphilosophie lehrte und bis seiner Emeritierung 2015 Geschäftsführender Direktor des Instituts für Rechtsphilosophie war. Von 2012 bis 2020 gehörte er dem Deutschem Ethikrat an, der Bundesregierung und Parlament in bioethischen Fragen berät.
Merkel ist Mitglied des Beirats der „Giordano-Bruno-Stiftung“ (gbs) sowie des Beirats des von der gbs gegründeten „Instituts für Weltanschungsrechts“ (ifw). Beide unterstützen Hänel. So hat das ifw vergangenes Jahr bei der Lehrstuhlinhaberin für Öffentliches Recht an der Universität Hannover, Frauke Brosius-Gersdorf, ein Gutachten in Auftrag gegeben, das zu dem Ergebnis kommt, der § 219a StGB verstoße sowohl gegen die Grundrechte der Berufs- und Meinungsfreiheit von Ärzten, die wie Hänel Abtreibungen vornähmen, als auch gegen die Grundrechte schwangerer Frauen und nicht-medizinischer Dritter. Die gbs wiederum hat eine Webseite ins Leben gerufen (www.abtreibung-info.de), die seit kurzem jene „Informationen zum Schwangerschaftsabbruch“ bereitstellt, die Hänel bei Strafe verboten sind. Erlaubt ist das, weil die gbs selbst keine Abtreibungen anbietet. Auf dem Portal werden – wie schon auf Hänels Webseite – vorgeburtliche Kindstötungen als „Absaugen von Schwangerschaftsgewebe“ bezeichnet.