§ 219a STGB

 

Strafgesetzbuch

§ 219a


Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft

(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise

1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines
Schwangerschaftsabbruchs oder

2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft
geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung

anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Absatz 1 Nr. 1 gilt nicht, wenn Ärzte oder auf Grund Gesetzes anerkannte Beratungsstellen darüber unterrichtet werden, welche Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen bereit sind, einen Schwangerschaftsabbruch unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 bis 3 vorzunehmen.

(3) Absatz 1 Nr. 2 gilt nicht, wenn die Tat gegenüber Ärzten oder Personen, die zum Handel mit den in Absatz 1 Nr. 2 erwähnten Mitteln oder Gegenständen befugt sind, oder durch eine Veröffentlichung in ärztlichen oder pharmazeutischen Fachblättern begangen wird.

(4) Absatz 1 gilt nicht, wenn Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen

 

  1. auf die Tatsache hinweisen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche unter den Voraussetzungen des § 218a Absatz 1 bis 3 vornehmen, oder
  1. auf Informationen einer insoweit zuständigen Bundes- oder Landesbehörde, einer Beratungsstelle nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz oder einer Ärztekammer über einen Schwangerschaftsabbruch hinweisen.

Fassung aufgrund des Gesetzes zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch vom 22.03.2019, in Kraft getreten am 29.03.2019.

 

Begriffe, Zahlen, Fakten und Argumente zum § 219a StGB

Es handelt sich bei der aktuellen Fassung der §§ 218 und 219 StGB um einen Kompromiss-Versuch. Eine Abschaffung des § 219a, der ein wichtiger Bestandteil des gesamten Gesetzespaketes ist, hätte sowohl verfassungsrechtlich wie politisch weitreichende Konsequenzen. Bestrebungen in diese Richtungen dienen dazu, letztendlich die gesamte gesetzliche Regelung zu ändern.

 

„Nazigesetz“

  • Entwürfe und Regelungen in Bezug auf ein Werbeverbot für Abtreibung finden sich seit 1871 (Kaiserreich) im deutschen Strafgesetzbuch.
  • Eine gesetzliche Vorlage für das 1933 verabschiedete Gesetz (ab 1930 war wegen der Präsidialkabinette praktisch keine Verabschiedung von Gesetzen durch das Parlament mehr möglich) stammt aus der demokratischen Weimarer Republik: „Regierungsvorlage von 1927, § 255: Ankündigung von Abtreibungsmitteln: Wer ein Mittel, einen Gegenstand oder ein Verfahren zur Unterbrechung einer Schwangerschaft öffentlich ankündigt oder anpreist oder einen solchen Gegenstand an einem allgemein zugänglichen Ort ausstellt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Straflos ist die Ankündigung oder Anpreisung eines Mittels, Gegenstandes oder Verfahrens, die zu ärztlich gebotenen Unterbrechungen der Schwangerschaft dienen, an Ärzte oder an Personen, die mit solchen Mitteln oder Gegenständen erlaubterweise Handel treiben, oder in ärztlichen oder pharmazeutischen Fachzeitschriften.“[1] 
  • Dass dieses Gesetz, wie viele Gesetze, im Dritten Reich für völkische und inhumane Zwecke missbraucht oder missbräuchlich interpretiert wurde, bleibt unbenommen.
  • Nicht thematisiert dagegen werden unter anderem tatsächlich sehr bedenkliche, zum Beispiel eugenische Regelungen (pränataler Bluttest, Abtreibung bis zur Geburt bei Krankheiten und Behinderungen des Kindes) sowie die Geschichte und Zielsetzung von Pro Familia, die durch einen ehemaligen „Sozialhygieniker“ des Dritten Reiches (Hans Harmsen) gegründet wurde.[2]

     

„Werbeverbot“

  • Werbung ist eine Handlung, die von einem Anbieter ausgeht. Ziel und Zweck der Werbung ist es, beim Empfänger eine bestimmte Handlung auszulösen.
  • Die Formulierung des § 219a stellt eindeutig klar, dass es um kommerzielle oder anstößige Werbung geht und um nichts anderes.
  • Es handelt sich bei § 219a um ein Werbeverbot. Jede/r Abtreibungsexperte/-in kann täglich Informationen zu Abtreibungen veröffentlichen – es darf lediglich nirgendwo vermerkt sein, dass diese Person sie gegen Entgelt anbietet. Hier nämlich endet die Information und beginnt die Werbung (klar definiert mit beabsichtigtem Vermögensvorteil / Gewinnerzielungsabsicht).
  • Der Deutsche Bundestag 1974 stellte noch einmal fest: § 219 soll verhindern, „daß der Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit als etwas Normales dargestellt oder kommerzialisiert“ wird.[3]  
  • Werbung bedeutet hier nicht, dass Frauen einen Anreiz zur vielleicht gar nicht gewünschten Abtreibung erhalten oder Sonderangebote in Anspruch nehmen.
  • Werbung bedeutet hier: Einrichtungen, die Abtreibungen vornehmen, setzen diese Handlung als „Dienstleistung“ auf ihre Internetseiten, in ihre Prospekte etc., um damit Geld zu verdienen (laut Definition: „Verkaufsförderung“).
  • Da Abtreibungsexperten eine Gewinnerzielungsabsicht haben, können sie nicht als neutrale, objektive Berater tätig sein. Aus diesem Grund darf eine Frau im Schwangerschaftskonflikt gemäß gesetzlicher Regelung auch nicht von denjenigen Personen beraten werden, die die Abtreibung durchführen.
  • In diesem Zusammenhang müsste zum Beispiel Pro Familia geprüft werden, eine Organisation, die Abtreibung als Gesundheitsleistung fordert, bei öffentlichen Aktionen gegen das Lebensrecht vorgeburtlicher Kinder beteiligt ist, aber gleichzeitig in einem gesetzlichen System Beratungen für Frauen im Schwangerschaftskonflikt durchführen darf, welche laut § 219 StGB eine vollkommen andere Beratungsgrundlage verlangen. Des weiteren führt Pro Familia in sogenannten „Gesundheitszentren“ Abtreibungen durch. Hier besteht einerseits ein Interessen- und andererseits ein finanzieller Konflikt. Pro Familia ist ein gutes Beispiel dafür, dass es unbedingt ein Werbeverbot für Abtreibung geben und dieses auch regelmäßig überprüft werden muss.[4]

     

„Informationsverbot“

  • Bei Information handelt es sich im Kern um eine Aktion, die von den Suchenden ausgelöst wird, die sich über eine Dienstleistung oder ein Angebot informieren möchten.
  • Jede Frau kann zu jeder Zeit überall Informationen über Abtreibung erhalten.
  • Jede Frau kann zu jeder Zeit in gynäkologischen Praxen, Kliniken etc. anrufen und dort Informationen, Beratungsgespräche und Aufklärung über Abtreibung bekommen.
  • Jede Frau kann bei der Beratung in staatlich anerkannten Beratungsstellen Adressen von Abtreibungseinrichtungen erhalten. So soll unter anderem eine von Erwerbsinteressen freie Beratung und Information der Schwangeren sichergestellt werden.
  • Nicht unter das Werbeverbot fallen Informationen unter fachlich involvierten Ärzten und in Fachzeitschriften, ebensowenig die sachliche, individuelle Beratung von Patientinnen und Patienten.
  • Ein Beispiel für Fehl- und Falschinformationen liefert das Werbeblatt von Kristina Hänel, Abtreibungsexpertin aus Gießen, das Grundlage für die Anzeige gegen sie war: Darin finden sich unter anderem sprachlich tendenziöse Begriffe („Schwangerschaftsgewebe“, „Fruchtblase“) sowie einseitige Informationen (ausschließlich über Abtreibung), fälschlich spricht sie von „legalem Schwangerschaftsabbruch“ mit Beratungsbescheinigung. Außerdem soll man eine Kostenübernahmebescheinigung oder Bargeld mitbringen (das Original liegt uns vor).

     

„Fehlende Versorgung“

  • Laut Statistischem Bundesamt stiegen die Abtreibungszahlen in Bayern 2020 auf 12.487, die höchste Zahl seit mindestens 2012 – eine häufig behauptete „fehlende Versorgung“ ist in diesem Bundesland damit ebensowenig festzustellen wie in allen anderen Bundesländern.
  • Wozu es führt, wenn Abtreibung als Grundversorgung betrachtet und flächendeckend angeboten wird, zeigt unter anderem die Abtreibungsquote je 1.000 Geburten in Berlin – dort wird etwa jedes fünfte Kind abgetrieben (243 Abtreibungen auf 1.000 Geburten). 
  • Die Abtreibungsquote (Abtreibungen pro 10.000 Frauen im gebärfähigem Alter) steigt in Deutschland und ist mit 59 wieder auf dem Stand von 2012.
  • Eine steigende „Versorgung“ führt zu höheren Abtreibungszahlen, sinkender Hilfsbereitschaft für Frauen im Schwangerschaftskonflikt und weiter steigendem Abtreibungszwang.
  • Abtreibung ist keine normale medizinische Dienstleistung, sondern gesetzlich verboten und nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei (Beratungsschein) bzw. legal (medizinische und kriminologische Indikation). Jeder Verweis auf ein „Recht“ auf Abtreibung in Deutschland ist sachlich falsch.

     

„Bedrohung von Abtreibungsärzten“, „Angst vor Lebensschützern“

  • Einige Abtreibungsexperten wurden wegen Verstoßes gegen § 219a angezeigt – in fast allen Fällen zu Recht, wie gerichtlich festgestellt wurde.
  • Verantwortlich für Gesetzesverstöße sind immer diejenigen, die diese Verstöße begehen, nicht diejenigen, die sie zur Anzeige bringen.
  • Es gibt keine nachgewiesene Bedrohung, Verletzung oder Schädigung von Abtreibungsexperten oder ihren Einrichtungen in Deutschland.
  • Gesprächsangebote, Gebetsaktionen oder Demonstrationen vor Abtreibungseinrichtungen waren bisher gewaltlos und friedlich. Sie stellen für niemanden eine Bedrohung dar, sondern sind Ausdruck der Meinungsfreiheit, Demonstrationsfreiheit und Freiheit der Religionsausübung. Dasselbe gilt für die höfliche Ansprache von und Hilfsangebote an Passanten, die diese annehmen oder ablehnen können.
  • Dagegen gibt es zahlreiche Bedrohungen, Sachbeschädigungen und weitere Angriffe bei pro-life-Demonstrationen, auf Lebensrechtsorganisationen, freie Beratungsstellen oder Kirchen, die diese ethische Grundhaltung haben und unterstützen. Des weiteren werden „Bannmeilen“ vor Abtreibungseinrichtungen gefordert, die mangels Bedrohung niemanden schützen, dafür aber Freiheiten und Hilfsangebote (die manchmal in letzter Minute angenommen werden, was auch kein gutes Licht auf die gesetzlich vorgesehene Beratungsqualität wirft) einschränken.
  • Auch von einer beruflichen „Existenzbedrohung“ kann keine Rede sein. Bei 10–20 Abtreibungen à etwa 400,- Euro täglich erzielen Einrichtungen, die sich praktisch ausschließlich auf Abtreibung spezialisiert haben, jährlich zum Teil siebenstellige Umsätze.

     

„Rechtsunsicherheit für Ärzte“

  • Das Gesetz ist eindeutig formuliert, jede Ärztin und jeder Arzt sicherlich problemlos in der Lage, es nachzuvollziehen.
  • Frau Hänel wurde vor dem ersten Prozess bereits zweimal angezeigt. Beide Male wurde sie darauf hingewiesen, dass sie illegal für Abtreibung wirbt und dies unterlassen soll. Als sie die Werbung weiterhin betrieb, erfolgte eine dritte Anzeige mit Gerichts-Prozess 2017. Ihr Vorgehen war also zumindest fahrlässig und ignorant, nach eigenem Bekunden ist ihr permanenter Gesetzesverstoß Absicht, um das Gesetz abzuschaffen.

„Einschränkung der ärztlichen Berufsfreiheit“ 

  • Eine Einschränkung liegt nicht vor. Ganz im Gegenteil können Abtreibungseinrichtungen ohne gynäkologische oder ganz ohne Fachausbildung und ohne Doktortitel betrieben werden. So ist Kristina Hänel allgemeinpraktische Ärztin ohne Dissertation, Friedrich Stapf führt seit Ende seines Medizinstudiums ausschließlich Abtreibungen durch, hat keine Dissertation und keine Fachausbildung.
  • Dagegen gibt es immer mehr Fälle, in denen gutausgebildete Fachleute ihren medizinischen Beruf nicht ausüben können oder entlassen werden, weil sie aufgrund einer Gewissensentscheidung (Gewissensfreiheit ist ein Grundrecht) nicht an Abtreibungen mitwirken möchten. Es gibt weiterhin einschlägige Forderungen, in bestimmten Einrichtungen nur noch abtreibungswilliges Personal einzustellen, womit tatsächlich eine weitere Einschränkung der ärztlichen Berufsfreiheit erfolgen würde.

     

Endnoten

1.  Sitzungen vom Oktober 1929-Juni 1930 (Abschluß der Beratungen in erster Lesung und der §§ 86 ff. in zweiter Lesung. Gesetzentwurf zum Schutze der Republik und zur Befriedung des politischen Lebens), herausgegeben von Werner Schubert, S. 592.
2. Seine Biographie findet sich zum Beispiel unter: https://www.dgsmp.de/100-jahre/CD_DGSMP/PdfFiles/Biografien/Harmsen.pdf
3. BT-Drs. 7/1981, S. 17.
4. Zur Haltung von Pro Familia: https://www.profamilia.de/fileadmin/publikationen/Fachpublikationen/Standpunkt_Schwangerschaftsabbruch.pdf; zur Beteiligung an Aktionen gegen das Lebensrecht vorgeburtlicher Kinder zum Beispiel: https://wegmit218.de/

 

  
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