§ 219a: Unterschiedliches Echo auf Kompromiss

Gießen/Berlin. Der von den Verhandlungsführern von Union und SPD ausgehandelte Kompromiss Eckpunkte 219a im Streit um das Werbeverbot für Abtreibungen (§ 219a StGB) ist in der SPD auf ein geteiltes Echo gestoßen. So vereidigte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Malu Dreyer den Kompromissvorschlag der Bundesregierung. „Der Kompromiss ist absolut okay. Das Hauptanliegen der SPD war, dass Frauen gut informiert“ würden und „Ärzte Rechtssicherheit“ hätten, erklärte die rheinland-pfälzische Ministerpräsident gegenüber „Bild am Sonntag“. Wichtig sei auch, „dass die SPD Weiterbildung für Ärzte“ durchsetzen konnte“. Es gebe immer weniger ausgebildete Ärzte, die Abtreibungen durchführen könnten.

Anders sieht das jedoch die Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, Maria Noichl. Der „Süddeutschen Zeitung“ sagte die bayerische EU-Abgeordnete: „Ich kann diesen Kompromiss nicht akzeptieren. Es wäre gelogen, wenn ich ihn als gut bezeichnen würde“.  Wie die katholische Wochenzeitung „Die Tagespost“ berichtet, soll Noichl im Jahr 2015 für „viel Wirbel“ im Europäischen Parlament mit einem Bericht gesorgt haben, der die EU-Kommission aufgeforderte, „sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte in ihre nächste EU-Gesundheitsstrategie“ aufzunehmen. Wie die Zeitung schreibt, käme dies einer Aufforderung zum Rechtsbruch gleich, da sich „hinter dem Term ,reproduktive Gesundheit’“ die Forderung nach einer Legalisierung von Abtreibungen verberge und die diesbezügliche Gesetzgebung allein in die Kompetenz der EU-Mitgliedsstaaten falle.

§ 219a: Bundesregierung legt Kompromiss vor

Berlin. Im Streit um das Werbeverbot für Abtreibungen (§ 219a Strafgesetzbuch) haben sich die Verhandlungsführer von Union und SPD auf einen Kompromiss geeinigt. Das berichten zahlreiche Medien. Demnach soll die Werbung für vorgeburtliche Kindstötungen auch künftig verboten bleiben. Ärzte und Krankenhäuser sollen jedoch darüber informieren dürfen, dass sie Abtreibungen vornehmen.

Erarbeitet wurde der Vorschlag von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), Kanzleramtsminister Helge Braun, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) sowie Bundesjustizministerin Katarina Barley und Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (beide SPD). Am späten Mittwochabend präsentierten sie ein fünf Punkte umfassendes Eckpunktepapier. Zu dessen Umsetzung will die Bundesregierung in der ersten Januarhälfte einen Gesetzentwurf vorlegen. Mit diesem soll der § 219a StGB entsprechend ergänzt und der § 13 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes geändert werden. Anschließend soll der Gesetzentwurf den Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD zur Beratung vorgelegt werden.

Im Einzelnen sieht der Kompromiss vor: „Frauen, die sich letztlich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden haben, sollen einen Arzt oder eine medizinische Einrichtung finden können, in der sie den Eingriff vornehmen lassen können.“ Die Bundesregierung will die „Bundesärztekammer und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung beauftragen, für Betroffene entsprechende Kontaktinformationen zur Verfügung zu stellen.“ Voraussetzung sei, dass die Ärztinnen und Ärzte sowie Krankenhäuser eingewilligt hätten. Der Informationsauftrag soll „gesetzlich verankert“ werden.

Um „mehr Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte sowie Krankenhäuser zu schaffen“, die vorgeburtliche Kindstötungen durchführen, will die Bundesregierung „rechtlich ausformulieren, dass und wie Ärztinnen und Ärzte sowie Krankenhäuser über die Tatsache informieren können, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen“. „Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch“ dürfe es jedoch „auch in Zukunft nicht geben“. „Deshalb werden wir das Verbot der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch beibehalten“, heißt es in dem Eckpunktepapier.

Ferner heißt es: „Die Qualität der medizinischen Versorgung von Frauen muss auch im Falle von Schwangerschaftsabbrüchen gewährleistet sein. Deshalb wollen wir Maßnahmen ergreifen, die zu einer Fortentwicklung der Qualifizierung in diesem Bereich beitragen.“ Darüberhinaus will die Bundesregierung in einer „wissenschaftlichen Studie Informationen zur Häufigkeit und Ausprägung seelischer Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen gewinnen.“

§ 219a: Ärzte-Chef Montgomery begrüßt Kompromissvorschlag

Berlin. Der Präsident der Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery hat den Kompromissvorschlag der Bundesregierung zur Beilegung des Streits um den § 219a StGB begrüßt. Im Interview mit dem „Deutschlandfunk“ sagte Montgomery, er wolle zwar noch auf den ausformulierten Gesetzestext warten. Das von der Bundesregierung vorgestellte Eckpunktepapier böte jedoch eine Chance, den Streit um das Werbeverbot für Abtreibungen im Interesse von Frauen und Ärzten zu lösen.

Gefragt ob die Bundesärztekammer, wie von der Bundesregierung vorgeschlagen, die Kontaktinformationen von Ärzten und Krankenhäusern, die Abtreibungen durchführen zur Verfügung stellen könne, sagte Montgomery: „Ja, wir können das leisten. Wir müssen dazu auf die Landesärztekammern zurückgreifen und auch auf die Kooperation der Ärzte.“ Er sei sich jedoch „ziemlich sicher“, das hinzubekommen.

Kirchen unterstützen den Kompromiss zum § 219a StGB

Düsseldorf. Die Kirchen in Deutschland unterstützen den von der Bundesregierung vorgelegten Kompromiss zum Werbeverbot für vorgeburtliche Kindstötungen. Die Evangelische Kirche halte es für richtig, dass Frauen sich umfassend über Abtreibungen informieren können, sagte der Bevollmächtigte des Rates der EKD, Martin Dutzmann, der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Freitag). Das könne allerdings auch durch eine entsprechende Ergänzung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes erreicht werden, sagte er mit Blick auf den Kompromiss, wonach das Recht zur Information über Ärzte und Einrichtungen, die Abtreibungen vornehmen, gesetzlich mit einer Ergänzung des Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch verankert werden soll. Der Leiter des Katholischen Büros Berlin, Karl Jüsten, erklärte, die Entscheidung der großen Koalition sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Lösung. Die genauen gesetzlichen Änderungsvorschläge müssten aber noch abgewartet werden.