§ 219a: FDP prüft Gang nach Karlsruhe

Berlin. Nachdem der Deutsche Bundestag am Donnerstag mit der Mehrheit von Union und SPD den zwischen den Regierungsparteien beschlossenen Kompromiss für eine Reform des Werbeverbots für Abtreibungen in Zweiter und Dritter Lesung verabschiedet hat, erwägt die FDP das neue Gesetz vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. „Wir prüfen das im Augenblick sehr ernsthaft“, erklärte der stellvertretenden Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Stephan Thomae.

Im Interview mit der Berliner „tageszeitung“ (taz), bezeichnete Thomae es als „grotesk“, dass die Bundesärztekammer und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung „geradezu den gesetzlichen Auftrag“ erhielten, „sachliche Informationen für ungewollt schwangere Frauen und Mädchen zu veröffentlichen.“ „Und die gleiche Information auf der Webseite eines Arztes soll strafbares Unrecht?“. „Um eine Verbesserung der Situation zu erreichen müsste vollumfängliche sachliche Information straffrei möglich sein. Zum Beispiel das, was die verurteilte Gießener Ärztin Kristina Hänel auf ihrer Webseite beschreibt: Was ist mit dem Eingriff verbunden, worauf die Frau sich einstellen muss“, so Thomae weiter.

Die Gießener Allgemeinärztin war in zwei Instanzen zur einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilte worden, weil sie vorsätzlich, nach Aufklärung durch die Staatsanwaltschaft, gegen das Werbeverbot für Abtreibungen verstoßen hatte. Die „sachliche Information“, ein Faltblatt, das Hänel auf ihrer Webseite zum Download anbot und mit der sie potenzielle Patientinnen über den Ablauf der von ihr offerierten vorgeburtlichen Kindstötungen „unterrichtete“, enthielt Sätze wie: „Mit einem Plastikröhrchen wird anschließend das Schwangerschaftsgewebe abgesaugt“ (Chirurgische Abtreibung) oder auch: „Sie bekommen mehrere Tabletten eines Medikamentes (Prostaglandin), das die Ausstoßung des Schwangerschaftsgewebes fördert“ (Chemische Abtreibung).

Bundestag beschließt Reform von 219a StGB

Berlin. Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstagabend nach emotionaler Debatte mit großer Mehrheit eine Reform des § 219a Strafgesetzbuch (StGB) beschlossen. Für den von Union und SPD eingebrachten Entwurf eines „Gesetzes zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch“ (Bundestagsdrucksache 19/7693) stimmten in namentlicher Abstimmung 371 Abgeordnete. 277 stimmten dagegen, vier enthielten sich.

 

Mit 460 beziehungsweise 458 Nein-Stimmen lehnte das Parlament zudem die von der Fraktion Die Linke beziehungsweise Bündnis90/Die Grünen eingebrachten Gesetzentwürfe ab, die eine ersatzlose Streichung des Werbeverbots für Abtreibungen aus dem Strafgesetzbuch zur Folge gehabt hätten.

 

Mit der nun beschlossenen Reform wird der § 219a StGB um einen neuen Absatz 4 erweitert, der zusätzliche Ausnahmetatbestände vom Werbeverbot für Abtreibungen enthält. Danach sollen Ärzte, Krankenhäuser und Einrichtungen künftig öffentlich darauf hinweisen können, dass sie vorgeburtliche Kindstötungen durchführen. Ferner sollen sie auf staatlich organisierte Informationsangebote verweisen beziehungsweise verlinken können, die über Methoden, Risiken für die Schwangere und Ähnliches informieren.

 

Außerdem sieht die Reform eine Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes vor. Mit ihr soll sichergestellt werden, dass es künftig eine von der Bundesärztekammer erstellte und monatlich aktualisierte Liste mit Ärztinnen und Ärzten gibt, die mitteilen, dass sie vorgeburtliche Kindstötungen gemäß Paragraf § 218a Absatz 1 bis 3 durchführen. Diese Liste soll auch Angaben zu den von Ärzten dabei angebotenen Methoden enthalten. Die Liste wird von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung veröffentlicht. Auch der bundesweit zentrale Notruf „Schwangere in Not“ sowie die Schwangerschaftsberatungsstellen und -konfliktberatungsstellen sollen nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz Auskunft über die in der Liste enthaltenen Angaben erteilen können.

Woelki nennt Werbung für Straftatbestand „verrückt“

Köln. Der Erzbischof von Köln, Rainer Maria Kardinal Woelki, rechnet für die Zukunft mit neuem Streit beim Thema Abtreibung. Im Interview mit dem katholischen Fernsehsender EWTN sagte Woelki: „Es ist zu befürchten, dass in den nächsten Jahren erneut die Frage nach Abtreibung und der Selbstverständlichkeit, die damit oft verbunden ist, wieder neu in den Mittelpunkt rücken wird.“ Bei dem aktuellen Streit um das Werbeverbot für Abtreibungen, sei das noch einmal verhindert worden. Der Erzbischof erinnerte daran, dass Abtreibung ein Straftatbestand sei und nannte es „verrückt, zu sagen, wir können für einen Straftatbestand werben“. Nichtdestotrotz sei er „wirklich dankbar“ für den Kompromiss, der im Streit um den Paragrafen 219a Strafgesetzbuch gefunden worden sei. Einer Freigabe der Abtreibung könnten Katholiken jedoch „niemals zustimmen“, so der Kardinal. Das Leben stehe „vom Anfang bis zum letztem Atemzug“ unter dem „Schutz Gottes“.

§ 219a: Rechtsausschuss hört Experten

Berlin. Bei der am Montag (18.2.) vom Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz veranstalteten Öffentlichen Anhörung hat die Mehrzahl der Sachverständigen Kritik an dem von CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes „zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch“ (Bundestagsdrucksache 19/7693) geäußert. Während die konsultierten Ärzte widersprüchliche Meinungen vertraten, lehnten die geladenen Wissenschaftler den Kompromiss überwiegend ab.

Die wegen Verstoßes gegen das Werbeverbot für Abtreibungen vor Gericht stehende Gynäkologin Nora Szász (Kassel) begrüßte zwar die mit dem Gesetzentwurf verfolgten Ziele – Verbesserung der Information für Frauen und Rechtssicherheit für Ärzte – vertrat aber die Auffassung, dass diese mit dem Entwurf nicht erreicht würden. Es sei damit zu rechnen, dass eine erhebliche Zahl von Ärzten und Ärztinnen nicht auf den zentralen Listen geführt werden wollten.

Dagegen bezeichnete der Frauenarzt Wolfgang Vorhoff (Bad Aibling) den Gesetzentwurf als ausgewogen. Ohnehin verstehe er als mit der Beratung befasster Arzt die Diskussion um den Paragrafen 219a Strafgesetzbuch nicht, erklärte Vorhoff. Schwangere könnten sich bereits heute sehr wohl zeitnah und sachgerecht über den Ort, den Arzt und die Methoden des Schwangerschaftsabbruchs informieren. Eine Streichung des Werbeverbots für Abtreibungen würde zu einem Wettbewerb um die beste Werbung für die Abtreibungen durchführenden Einrichtungen führen.

Der Rechtswissenschaftler Michael Kubiciel (Universität Augsburg) lehnte eine ersatzlose Streichung des Paragrafen § 219a Strafgesetzbuch ab und begrüßte den gefundenen Kompromiss „in rechtpolitischer Hinsicht“. Er beende „einen ideologisch aufgeladen und parteipolitisch hart umkämpften Streit auf einem verfassungsrechtlichen heiklen Feld“. Kubiciels Kollegin Elisa Marie Hoven (Universität Leipzig) bezeichnete den Entwurf als eine Verbesserung, der jedoch das Grundproblem nicht löse. Inhalte, die auf den Homepages von Ärztekammern und Beratungsstellen zulässig seien, könnten nicht Gegenstand eines strafrechtlichen Vorwurfs werden, wenn sie im Namen von Ärzten verbreitet würden, meinte die Strafrechtsprofessorin. Hovens emeritierter Hamburger Kollege Reinhard Merkel bezeichnete den Gesetzentwurf als nicht akzeptabel und verfassungswidrig.

Dagegen begrüßte Nadine Mersch von Sozialdienst katholischer Frauen den Entwurf. Es sei folgerichtig, dass weitergehende Informationen nur im Internet über die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zusammen mit den von der Bundesärztekammer erstellten Listen veröffentlich würden. Auf diese Weise werde verhindert, dass ein Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit verharmlosend dargestellt werde.